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JENS     WIESNER
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 HINTER DEN KULISSEN

Dieser Text entstand im Rahmen meines Besuchs des Schülerprogramms "Werde Urologin/Urologe für einen Tag“ auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie am 16. September 2011. Leider passte der Text dann doch nicht mehr konzeptmäßig ins Heft. Darum gibt es meine Eindrücke jetzt an dieser Stelle zu lesen.

 ZUM THEMA

Deutschlands einzige Urologie-Chefärztin - Interview mit Margit Fisch (Die Zeit)

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 BERUFSLEBEN

©Jens Wiesner

Schnuppertag beim Urologen: Operation pipileicht

Urologen leiden unter einem Imageproblem: Schließlich dreht sich in ihrem Fachgebiet alles um Pipi – ein Stoff, den selbst unser eigener Körper abstoßend findet. Kein Wunder also, dass auch der Nachwuchs nur spärlich dahin tröpfelt. Dagegen kämpfen die Mediziner jetzt an: mit Bananen, Paprika und einer Menge Gummibärchen.

Ekelige Schultoiletten, traumatische Bettnässer-Erfahrungen. Über Urin spricht man nicht, Urin macht man. So dachten zumindest Julia und Didem, als die Einladung zum Urologen-Kongress in ihr Gymnasium flatterte. "Werde Urologe für einen Tag!" forderte eine lächelnde Dame im weißen Arztkittel die Schülerinnen auf. Die schüttelten sich erst einmal. Pfui! Igitt! Bah!

Einige Wochen später, in einem kleinen Raum des Kongresszentrums Hamburg, müssen die beiden über sich selbst lachen. "Wie unaufgeklärt wir damals waren", sagt Julia - betont aufgeklärt - und greift zum OP-Besteck. Der Patient der Gymnasiastin ist eine Banane, fünf Zentimeter lang klafft eine "Wunde" in der Schale. An den Rändern fängt das Obst bereits an, bräunlich zu gammeln.

"Die Banane simuliert das menschliche Gewebe", erklärt Stefan Buntrock, Urologe und Organisator des Schülertags. Denn wie bei einer Banane folgt auch beim Menschen auf eine härtere obere Hautschicht eine tieferliegende weichere. Und wer eine solche Wunde mit Nadel und Faden zusammen nähen will, sollte tunlichst darauf achtgeben, die untere nicht zu verletzen. Eine ganz schöne Frickelarbeit, wie auch die beiden Gymnasiastinnen feststellen müssen: Nach einer halben Stunde sind ihre Patienten erst zur Hälfte verarztet.

Banane zunähen © Jens Wiesner

"Heißer Draht" für Experten

Für den Schülertag hat der Facharzt nicht nur für fruchtige Patienten gesorgt, sondern auch echtes Operationswerkzeug aufgefahren. Besonders heiß umkämpft ist das Endoskop - ein stabförmiges Instrument, an dessen Ende eine Miniatur-Videokamera, eine Lampe und ein Greifer befestigt sind. Mit diesem Greifer müssen die Schüler Gummibärchen aus einer Paprika herausoperieren. Ein Geduldsspiel, das den "heißen Draht" ganz schön kalt aussehen lässt. Trotzdem schlagen sich die meisten Teilnehmer überraschend gut für ihr erstes OP-Mal: "Studien haben gezeigt, dass junge Menschen, insbesondere regelmäßige Computer- und Videospieler, über eine geschärfte Hand-Augen-Koordination verfügen", erklärt Buntrock. Eine Fingerfertigkeit, die sich gerade im Operationssaal auszahle.

Ganz uneigennützig ist der ganze Aufwand also nicht. Denn Urologen haben nicht nur gegen Prostatakrebs und Nierensteine zu kämpfen, sondern auch mit einem krassen Image- und Nachwuchsproblem: "Urologie ist sicher nicht der große Traumberuf", gibt Buntrock zu. "Viele Menschen glauben immer noch, bei uns gehe es nur um alte Männer und Pipi."

Davon kann auch Claudia Kühn ein Lied singen. Durch ihren Vater - selbst Urologe - ist die Elftklässlerin schon früh mit Vorurteilen und Klischees in Kontakt geraten. "Wenn ich früher nach meinem Vater gefragt wurde, habe ich einfach gesagt: Er ist Pipi-Doktor!" Gekichert wurde fast immer - und manchmal sogar die sexuelle Orientierung des Vaters infrage gestellt. Claudia zuckt mit den Schultern: "Dabei ist er ein ganz normaler Arzt - nur eben mit einem etwas anderen Spezialgebiet."

Endoskop im Einsatz ©Jens Wiesner

Kichern verboten

Ein Spezialgebiet, das für junge Nachwuchsärzte einiges zu bieten hat - da sind sich zumindest die Mediziner im Saal sicher. "Als Urologe kann ich mich von der Diagnose bis zur OP um einen Patienten kümmern", erklärt Christian Reek aus Hamburg. Und die Berufsaussichten seien äußerst günstig: "Weil unsere Gesellschaft immer älter wird, nehmen Blasenentzündungen und urologische Krebserkrankungen zu." Wer es aber nicht einmal schafft, das Wort 'Penis' ohne Kichern auszusprechen, sei schlichtweg fehl am Platze. "Als Arzt muss ich offensiv mit dem Thema umgehen und die Dinge beim Namen nennen", so Buntrock. Nur so könne man das gesellschaftliche Tabu überwinden - und den eigenen Patienten dabei helfen, ihre Scham zu überwinden.

Mit Didem und Julia darf die Urologen-Welt trotzdem nicht rechnen. "In eine Banane zu stechen ist ja noch okay", erklärt Didem, "aber in einen echten Menschen – nein, danke!" Ihr wichtigstes Ziel haben Buntrock und Co. trotzdem erreicht: Wenn die beiden Mädchen in Zukunft von einem Urologen hören, werden sie eines nicht mehr denken: Pfui! Igitt! Bah!